Als 1907 geborenem Sohn des Bamberger Domorganisten und einer Sängerin war Karl Höller die Musik in die Wiege gelegt. Die elterliche Wohnung in der Alten Hofhaltung war nur wenige Schritte vom Dom entfernt. Mit Kirchenmusik und Orgelspiel wuchs der Knabe auf. In einem Interview aus dem Jahr 1972 mit der Autorin Ursula Stürzbecher bekannte Höller: Auf der Domorgel bin ich groß geworden, als Sechsjähriger begann ich im Chor als kleiner Domspatz mitzusingen. Diese frühe Begegnung mit der musica sacra, mit den alten Meistern der Polyphonie, dann natürlich mit der Orgelmusik - das alles sind so entscheidende Eindrücke, denen man sich nie mehr entziehen kann, und die später in meinen Werken ihren Niederschlag gefunden haben.
Karl Höller schwärmte stets von seiner schönen Jugend in Bamberg, umgeben von herrlichen Baudenkmälern und der Atmosphäre eines E.T.A. Hoffmann. Humorvoll, doch mit Respekt sprach Karl Höller von seiner Schulzeit. Wie ich trotz ausschließlicher Beschäftigung mit der Musik das Abitur am humanistischen Gymnasium geschafft habe, noch dazu ganz passabel, ist mir heute ein Rätsel. Ich war immerhin während meiner Pennälerzeit bereits bis zu Opus 25 vorgedrungen. Mein op.1 - Passacaglia für Orgel - legte ich 1923 meinem Vater zum 50.Geburtstag auf den Gabentisch. Es mag verständlich erscheinen, dass ich mitunter den Cäsar, Cicero, Homer oder Ovid nur schlecht vorbreiten konnte, da ich bis spät in der Nacht über der Durchführung einer Sonate saß. Alle „Jugendsünden“ habe ich allerdings später annulliert.
Nach dem Abitur begann Karl Höller ein umfassendes Musikstudium (Komposition, Orgel, Dirigieren). Wertvolle Anregungen konnte er am damaligen Würzburger Konservatorium (heute Musikhochschule) sammeln, vor allem in der Klasse von Hermann Zilcher (1881-1948), einem namhaften Komponisten, Pianisten und Dirigenten. 1927 wechselte Karl Höller an die Münchener Akademie der Tonkunst (heute Hochschule für Musik und Theater). Vor allem die Begegnung mit Joseph Haas (1879 -1960), in dessen Kompositionsklasse Höller eintrat, entwickelte sich zur prägenden Erfahrung. Joseph Haas, selbst noch Schüler von Max Reger (1873 -1916), war nicht nur ein anerkannter Komponist, sondern auch ein inspirierender Pädagoge. Karl Höllers exzellente Examina bescherten ihm unmittelbar nach seinem Hochschulabschluss eine erste Anstellung als Dozent an der Münchener Akademie.
Gleichzeitig setzte ein erfolgreiches kompositorisches Schaffen ein, vor allem auf den Gebieten Symphonik, Kammer- und Orgelmusik. 1937 wechselte er an die Musikhochschule in Frankfurt a. M., an der er 1942 eine Professur für Komposition übernahm. Die Aufführung seiner Werke durch namhafte Interpreten wie Wilhelm Furtwängler, Ludwig Hoelscher, Georg Kulenkampff u. a. lassen die wachsende Wertschätzung erkennen.
Das Kriegende und die ersten Nachkriegsjahre verbrachte Karl Höller mit seiner Familie größtenteils in Bamberg. Hier war ihm die nötige Ruhe zum Komponieren vergönnt, wie lange nicht mehr. Es entstanden in rascher Folge fünf Violinsonaten und vier Streichquartette, die von dem damals noch in Bamberg ansässigen Koeckert-Quartett aus der Taufe gehoben wurden. 1949 kehrte Karl Höller an die Hochschule in München zurück, zuerst als Leiter einer Kompositionsklasse, dann von 1954 bis 1972 als Präsident. Karl Höller war auf dem Gebiet der Symphonik und Kammermusik in den 50-er- und 60-er-Jahren einer der meistgespielten neueren Komponisten in deutschen Konzertsälen. Im Repertoire konzertierender Organisten war er ebenfalls häufig vertreten. Auch im Ausland war Höller kein Unbekannter. 1960 wurde er in die USA eingeladen. Neben der Aufführung kammermusikalischer Werke, bei denen Höller auch als Klavierbegleiter mitwirkte, standen seine Sweelinck-Variationen für großes Orchester auf dem Programm. Das National Symphony Orchestra verhalf dem Werk zu einer begeisterten Aufnahme bei Publikum und Presse. Der renommierte Kritiker Paul Hume schrieb am 9. März 1960 in der „Washington Post“: „They opened the evening with a heartwarming account of a beautiful score by Karl Hoeller, a composer from Germany. This is a work we would be happy to hear annually for a long time. It deserves to become a standard in our repertoire”. Auch von einer Konzertreise durch mehrere Staaten der damaligen Sowjetunion im Jahr 1968 konnte Karl Höller begeistert berichten. Seine Werke wurden vom Publikum mit großem Beifall aufgenommen, die Begegnungen mit den ausübenden Musikern waren künstlerisch hochbefriedigend und menschlich bewegend.
Karl Höller entwickelte in seinen Werken eine unverwechselbare persönliche Tonsprache, in der sich Einflüsse der deutschen Spätromantik und des französischen Impressionismus mischten. Herausragende Merkmale seines Schaffens sind die handwerkliche Meisterschaft und die Beherrschung des traditionellen Formenkanons. Der Avantgarde stand er reserviert gegenüber. Karl Höller war eine Künstlerpersönlichkeit von umfassender Bildung mit hohem ästhetischen und moralischen Anspruch. Seine schöpferischen Leistungen sowie seine Tätigkeit als Hochschullehrer und -leiter wurden mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt. Er verstarb 1987 in Fischbachau / Oberbayern.
Für alle, die mehr über Karl Höller erfahren wollen, wird auf zwei aktuelle Veröffentlichungen hingewiesen:
Karl Höller-Monographie in: Komponisten in Bayern, Band 50, Verlag, Hans Schneider, Tutzing 2007
Karl-Höller-CD-Edition (fünfteilig) mit Orchester-, Kammermusik- und Orgelwerken bei dem Label Ambitus (www.ambitus.de)
Einspielungen mit dem Orchester und Solisten der Bamberger Symphoniker, den Organisten Prof. Winfried Bönig (Köln) und Prof. Edgar Krapp (München) u.a. sowie Archivaufnahmen mit dem Komponisten selbst
Dr. Gerhard Weinzierl