La langue de Goethe vs la langue de Molière en temps de Covid-19
Neue Gegebenheiten erfordern zwangsläufig neues Vokabular. So wurden wir im Zuge der Corona-Pandemie regelrecht von einem Corona-Wortschatz überrollt, der monatelang unsere Alltagsgespräche beherrschte. Werfen wir einen kurzen Blick auf den unterschiedlichen Umgang mit dieser sprachlichen Herausforderung in Deutschland und unserem Nachbarland Frankreich. Zunächst einige sehr frequente Begriffe: Lockdown/Shutdown (le confinement), Lockdown light (gab es in Frankreich nicht), Homeoffice (le télétravail), Homeschooling (l’école à la maison), Social distancing (la distanciation sociale/physique). Augenscheinlich zeigt sich hier eine gewisse Armseligkeit der deutschen Sprache, da man ausschließlich Anglizismen bzw. Scheinanglizismen verwendet. Das Wort ‚Home Office‘ gibt es zwar im Englischen, bezeichnet aber das Innenministerium, nicht die Arbeit zu Hause. Auch unter ‚Homeschooling‘ versteht man im Englischen etwas anderes, nämlich Hausunterricht durch die Eltern, ohne dass eine öffentliche Schule beteiligt ist. Die Franzosen hingegen können aus ihrer eigenen Sprache schöpfen. Das liegt wohl darin begründet, dass das Land jahrzehntelang von Sprachpuristen geprägt wurde und per Gesetz (la loi Toubon) die Verwendung von Anglizismen im öffentlichen Leben verboten war. Stattdessen wurden staatlich vorgeschlagene, neu geschaffene französische Ersatzwörter verwendet. Auch heute noch ist es untersagt, englische Werbeslogans ohne französische Übersetzung zu veröffentlichen. Im Bereich der bildhaften Komposita hingegen offenbart das Deutsche seine Stärke. Die französischen Pendants wirken eher prosaisch und farblos. Aus diversen Gründen hat allerdings nicht jedes deutsche Wort ein französisches Gegenstück: Hamsterkäufe (les achats de stockage), Spuckschutzschild (l’écran de protection en plexiglas), Herdenimmunität (l’immunité collective), Maskenflickenteppich (gab es in Frankreich nicht, da das Land vorwiegend zentralistisch organisiert ist), Klopapierhysterie (zur Erklärung ist eine Paraphrase notwendig). Abschließend sei noch der französische Neologismus ‚mélancovid‘ (ein Kofferwort aus ,mélancholique' + Covid) erwähnt, der den Gemütszustand der Bevölkerung während der Hochphase der Pandemie beschreibt. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Wortschatz alsbald wieder aus unserem Alltagsvokabular verschwindet! Der ‚Klopapierhysterie‘ konnten wir glücklicherweise schon Adieu sagen.
D. Heck