Der „Sandmann“ im Klassenzimmer – ein Theatererlebnis der Q11

Für uns Schüler*innen endet die große Zeit der Restriktion im schulischen als auch privaten Bereich; die Corona Pandemie ist aktuell so weit im Griff, dass schulische als auch außerschulische Aktivitäten wieder möglich sind.

Aus literarischer Sicht ist das Jahr 2022 auch als E.T.A.-Hoffmann-Jahr anzusehen. Der Todestag des deutschen Schriftstellers jährt sich zum 100. Mal. Für Bamberg ist Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Beamter, Künstler, Musiker, Zeichner, Schriftsteller und somit gänzlich Universalkünstler täglich allgegenwärtig. Er ist Namensgeber des E.T.A.-Hoffmann Theaters, des Gymnasiums und sein Wohnhaus ist für alle zugänglich.1808 trat er eine Stelle als Kapellmeister am Bamberger Hoftheater an. Da das Theater kurze Zeit später Konkurs anmelden musste, wandte sich seine berufliche Zukunft in Richtung der Schriftstellerei. 1810 fand er eine neue Anstellung am Bamberger Theater als Dramaturg und Direktionsgehilfe. Aus finanzieller Not letztlich nahm er 1813 eine Stelle als Theaterkapellmeister in Dresden an und kehrte unserer Stadt den Rücken.

Jedoch hat die Bamberger Zeit sein literarisches Wirken maßgeblich beeinflusst. Charakteristisch für sein Gesamtwerk sind wiederkehrende Themen, wie etwa die verzerrte Wahrnehmung und Wirklichkeit sowie immer wiederkehrend die Gefahren der Nacht, fantastische Kunst und vor allem ein pessimistisches und in sich zerrissenes Menschenbild.

Eine der bekanntesten Erzählungen aus seinem Zyklus „Nachtstücke“ ist sicherlich „Der Sandmann“, mit dem sich die Deutschkurse der Q11 intensiv beschäftigt haben.

Denn am 07.05.22 war es den Schülern*innen erstmals seit zwei Jahren möglich, an einer schulischen Theaterveranstaltung teilzunehmen und die Inszenierung der Erzählung am E.T.A.-Hoffmann Theater zu erleben.

Frau Sophie Rintelmann, Theaterpädagogin am E.T.A.-Hoffmann Theater Bamberg, hielt vorab einen Theater-Workshop am KHG ab. Hier wurde der bevorstehende Theaterbesuch vorbereitet, indem im ersten Teil des Workshops theoretisches Wissen, wie beispielsweise wichtige Theatermittel, vorgestellt wurde. Diese sind zum Beispiel Requisiten, Kostüme, Licht und Klang sowie der Einsatz medialer Komponenten. Des Weiteren wurde die Vorgehensweise des Regisseurs bei der Inszenierung des Stückes beleuchtet.

Der zweite Teil des Workshops bestand aus praktischen Übungen, wie der gemeinsamen Sprach- und Gesangsbildung sowie zwei Improvisationssequenzen in verschiedenen Kleingruppen, welche Teile der Aufführung enthielten, wobei die Schüler*innen eigenständig einen vorgelegten Dialog fortführen sollten.

Durch das hohe Engagement und die Spielfreude aller Beteiligten war der Workshop sehr erfolgreich und unterhaltsam. Dabei stieg die Vorfreude und Neugier auf die Inszenierung von Hannes Weiler. Diese war geprägt vom modernen Einsatz verschiedenster Theatermittel, weshalb der vorangestellte Workshop essenziell gewesen ist, um die Hintergründe und die Sinnhaftigkeit dieser Stilmittel im Sinne einer „Theaterwerkstatt“ zu verstehen.

Thematisiert wird in dem Stück die gegensätzliche Liebesbeziehung der vernunftgesteuerten Clara und des gefühlsbetonten Studenten Nathanael. Seine Gefühlswelt steht im Widerspruch mit der Realität, was ihn in den Wahnsinn treibt. Das Motiv des Wahnsinns ist eines der bekanntesten der sogenannten Schwarzen Romantik. Nathanael durchlebt durch seine zerrissene emotionale Welt Konflikte mit der Realität, welche in Form von Wahn, Fantasie, Liebe und Verzweiflung dargestellt werden. Schließlich kann er selbst nicht mehr unterscheiden, was real und irreal ist. Nathanael verkörpert die gefühlvolle Seite der Romantik, seine Partnerin Clara, die Klare, die rationale vernunftgeleitete Seite der Aufklärung. In der Inszenierung von Hans Weiler wird diese Zerrissenheit und die dadurch empfundene erdrückende Wahrhaftigkeit eindrücklich durch mannigfaltige Requisiten überaus bildhaft dargestellt. Sei es ein ausgespanntes Spinnennetz, eine große Echsenklaue oder auch der Einsatz des Lichts und der Klangelemente, welche die gruselige Stimmung ausgesprochen szenisch dargestellt haben.

Der Sandmann wird literarisch in Epoche der Schwarzen Romantik eingeordnet. Diese behandelt Motive wie Wahn, Dunkelheit, Traum und Fiktion.

Dabei wurde die Stimmung der Schwarzen Romantik mit Hilfe der Motive Wahn, Dunkelheit, Traum, Fiktion und Verwirrung einzigartig in der Interpretation des Ensembles eingefangen.

Die Resonanz der Oberstufenschüler*innen in der Nachbearbeitung im Rahmen des Unterrichts fiel durchaus positiv aus, wenn auch viele Fragen offen blieben. Für viele war es die erste moderne Theaterinszenierung. Anfänglich wirkte die Darbietung auf die meisten befremdlich, jedoch wurde die Kraft der Stilmittel von allen Theaterbesucher*innen gewürdigt. In der anschließenden Reflexion im Unterricht entstanden kurze Tweets und Memes, die das Erlebte, Gesehene und Empfundene treffend zusammenfassen. Dabei wurde der im Vorfeld durchgeführte Workshop als uneingeschränkt positiv und maßgeblich dem Verständnis dienend bewertet.

Insgesamt entspricht die Meinung der Schüler*innen einer Pressestimme des „neuen Merker“ vom 24. April 2022: „Ein gelungenes Sprachkonstrukt das Hoffmanns Technik der Verunklarung durch Verschiebung der Bedeutung und des Kontextes virtuos aufgreift. Wer Lust dazu hat, sich auf das assoziative, spielerische, manchmal sogar hintersinnige Ausspinnen Hoffmann‘scher Gedankenfäden einzulassen, mag den Abend mit Gewinn besuchen.“

Marie Weniger, Q11

(Aufruf über: https://onlinemerker.com/bamberg-der-sandmann-nach-e-t-a-hoffmann-von-hannes-weiler/ zuletzt aufgerufen am 12.05.22)