„The last train“: Das Schicksal der jüdischen Familie Brandes aus Bamberg

Zwei Gleise zieren das Titelbild des Buches „The last train“, verfasst von Peter Bradley. Zwei Züge: einer führte seinen Vater Fritz Brandes (später: Fred Bradley) nach England in die Freiheit, der andere Zug brachte seine Großeltern Sally und Bertha Brandes im November 1941 von Bamberg aus nach Riga, wo sie ermordet wurden.
Nach dem Tod ihres Vaters fanden Peter Bradley und seine Schwester in einer Truhe Briefe, die ihre Großeltern ihrem Vater geschrieben hatten. Damit begann die Spurensuche der beiden Geschwister, die das Schicksal ihrer jüdischen Familie erforschen wollten. Ihr Weg führte sie zu den Orten, an denen ihre Großeltern gelebt hatten. Seit 1913 besaß Sally Brandes ein Geschäft für Kurzwaren und später für Bekleidung in Bamberg – zunächst in der Dominikanerstraße, später am Grünen Markt. Er lebte als angesehener Bürger in der Stadt und sein Sohn Fritz besuchte das Neue Gymnasium (heute: Franz-Ludwig-Gymnasium), an dem er 1937 erfolgreich das Abitur ablegte. Obwohl bereits seit dem 1. April 1933 Maßnahmen gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger von Seiten des NS-Regimes initiierte worden waren, um diese zur Auswanderung zu bewegen, glaubten Sally und Bertha Brandes nicht daran, dass sie sich in unmittelbarer Lebensgefahr befanden. Als sie dies nach der Reichspogromnacht 1938 doch feststellen mussten, war eine Auswanderung für sie, wie für viele andere, vor allem ältere jüdische Menschen, kaum noch möglich. 1941/1942 wurden sie in Riga ermordet.
Ihr Sohn hat, wie viele Überlebende, viele Jahre über das Schicksal seiner Eltern geschwiegen. Ihr Enkel, Peter Bradley, aber teilte seine Familiengeschichte den Schülerinnen und Schülern der 9. Klassen mit, um zu zeigen, dass auch in Bamberg der Rassenwahn unschuldige Menschen aus der Gesellschaft ausgrenzte, sie demütigte, aus ihrer Heimat vertrieb und umbrachte. Äußerst interessiert lauschten die Jugendlichen den Erzählungen Peter Bradleys und stellten fest, dass Antisemitismus im Kleinen beginnt und jeder/jede Verantwortung für sein/ihr Verhalten anderen Menschen, Religionen und Kulturen gegenüber trägt.
Vielen Dank, Mr Bradley, dass Sie Ihre Familiengeschichte mit uns geteilt haben!

Dr. C. Horn